Coronavirus: Warum das Tragen von Atemschutzmasken Sinn ergibt
In Europa wird das Tragen von Atemschutzmasken als Maßnahme gegen die Coronavirus-Pandemie bislang wenig beachtet. Verhaltensregeln aus Asien legen jedoch nahe, dass das ein Fehler sein könnte.
Touristen aus Ländern wie China, Japan oder Thailand, die bei ihren Touren durch Europa Atemschutzmasken vor dem Gesicht tragen, waren schon vor dem Ausbruch des Coronavirus kein seltener Anblick. In vielen asiatischen Ländern sind Schutzmasken als Hygienemaßnahme weit verbreitet – aus Schutz vor der Ansteckung mit Krankheiten, aber auch gegen Smog.
Durch das Fortschreiten der Coronavirus-Pandemie wurden Atemschutzmasken plötzlich auch außerhalb Asiens nicht nur zum begehrten Produkt, um das sich kriminelle Banden und sogar Staaten rangeln, sondern auch zum Streitpunkt wissenschaftlicher Diskussionen.
Was bringen Schutzmasken überhaupt? Sind sie geeignet, die Ausbreitung des tödlichen Virus einzudämmen?
In den meisten Medien werden Schutzmasken pauschal als unnötige und sogar irreführende Schutzmaßnahme bezeichnet. Sie könnten ein trügerisches Gefühl der Sicherheit geben, heißt es. Unbestritten ist, dass die Einhaltung von Abstandsregeln, der Verzicht auf soziale Kontakte und häufiges Händewaschen die wichtigsten Grundlagen für die Pandemie-Bekämpfung sind – von der Suche nach geeigneten Medikamenten mal abgesehen. Aber sind Schutzmasken wirklich so sinnlos wie behauptet?
Dazu muss man wissen, dass Viren wie Corona oder Influenza nicht einfach in der Luft herumfliegen, sondern sich in Form eines Aerosols (Tröpfchen) fortbewegen – sie werden darin eingeschlossen, wenn Infizierte diese beim Ausatmen ausstoßen. Daher spricht man auch von einer Tröpfcheninfektion: Wenn man von jemanden angehustet wird, der den Virus in sich trägt, wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit angesteckt.
Was wissen asiatische Länder?
Bilder aus China, Thailand und anderen asiatischen Ländern zeigen: Schutzmasken sind dort längst zum fixen Bestandteil des täglichen (eingeschränkten) Lebens geworden. So dürfen in Thailand öffentliche Verkehrsmittel nur noch benützt werden, wenn eine solche Schutzmaske verwendet wird. In Asien gilt es als Respekt vor seinen Mitmenschen, wenn man als Kranker (beispielsweise als Grippekranker) eine Maske trägt. In Japan führten verstärkte Hygiene- und Schutzmaßnahmen – wie eben auch Mundmasken – zuletzt zu einer deutlichen Reduzierung der Zahl der Influenza-Kranken. In Hong Kong tragen schon 99 Prozent aller Menschen eine Maske, wenn sie im Freien unterwegs sind.
Sind Schutzmasken übertrieben?
Ist das Tragen von Mundmasken dennoch übertrieben? In einem Interview mit dem Portal netdoktor meint der Virologe Norbert Nowotny (Professor am Institut für Virologie der Vetmed Wien), dass Schutzmasken sehr wohl zum Selbstschutz hilfreich sein können – sofern sie richtig verwendet werden. Er meint, sogar niedrigere Kategorien der Schutzmasken könnten etwas bringen. Tatsache ist: Es mangelt einfach an wissenschaftlichen Studien, was Masken bringen. Aber das Fehlen wissenschaftlicher Evidenz bedeutet nicht, dass es einen Beweis für die Sinnlosigkeit von Mundmasken ist. Neueste Studien weisen genau darauf hin und fordern mehr Untersuchungen dazu.
Ansteckungsrisiko sinkt
Ein Experte der Universität von Hong Kong schätzt, dass Masken das Risiko einer Ansteckung um schätzungsweise 5 bis 10 Prozent verringern könnten – das ist wenig, aber immerhin doch ein Beitrag. Die wissenschaftliche Evidenz sei limitiert, meint auch er. Ein Problem ist indes der Mangel an Schutzmasken in Europa und in vielen anderen Regionen, während viele asiatische Länder über einen großen Vorrat verfügen. Die Zurückhaltung der Behörden könnte auch daher kommen, dass Privatpersonen in großem Stil Schutzmasken kaufen und bunkern könnten. Damit würden sie jenen Leuten fehlen, die sie dringender benötigen, also beispielsweise Pflegern, Ärzten und Sozialarbeitern. Sicher ist: Derzeit kann nicht jeder eine Maske bekommen, aber das könnte sich ändern.
Coronavirus: Welche Atemschutzmasken gibt es überhaupt?
Prinzipiell wird zwischen 2 großen Gruppen von Schutzmasken unterschieden: Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS) und Partikel-filtrierende Halbmasken (FFP). Was ist der Unterschied?
MNS-Masken dienen als Operationsmasken und sind kein wirksamer Schutz gegen eine Übertragung des Coronavirus. Sie werden von medizinischem Personal verwendet, um beispielsweise Patienten während einer Operation zu schützen. Damit kann nämlich verhindert werden, dass der Träger einer solchen Maske Tröpfchen an seine Umgebung abgibt – was etwa in Spitälern schlimme Folgen haben kann.
FFP-Masken sind können sogenannte Aerosole – das sind kleinste Schwebeteilchen in der Luft – herausfiltern. Doch welche Partikel sie genau herausfiltern, hängt von ihrer Qualität ab. Es gibt 3 Klassen solcher Masken: FFP1, FFP2 und FFP3. Die 1er-Version bietet den geringsten Schutz, die 3er-Version den höchsten. Laut Stand der Wissenschaft soll eine FFP2-Maske ausreichend vor dem Coronavirus schützen, allerdings nur die Person selbst, die eine solche Maske trägt. Achtung: FFP-Masken können immer nur einmal verwendet werden, nach erstmaligem Gebrauch sind sie zu entsorgen. Im Regelfall dürfen sich höchstens 8 Stunden getragen werden.
Abzuraten ist von dubiosen Anbietern von Schutzmasken oder auch sogenannten Luftfiltern, die angeblich Räume von gefährlichen Partikeln wie eben dem Coronavirus säubern könnten. Außerdem ist zu beachte, dass der Virus beispielsweise auch über die Augen in den Körper gelangen und sich dort ausbreiten kann.
Anwendung von Atemschutzmasken
Die Maske muss gut sitzen, sonst muss man ständig mit den Fingern im Gesicht herumfummeln – das wäre kontraproduktiv.
Ein Schal oder ein Tuch vor dem Mund ist kein wirksamer Schutz, doch mangels Alternativen besser als gar nichts. Denn auch Menschen, die bereits angesteckt sind, aber noch keine Symptome zeigen, können bereits den Virus übertragen. Also: Je mehr Schutz, desto besser.
Sogar die besten Atemschutzmasken können keine 100prozentigen Schutz bieten, etwa weil sie verrutschen könnten oder man sich unbewusst an die Augen greift.
Wer die Wahl hat, mit einer (möglicherweise selbst gemachten) Maske nach draußen zu gehen oder doch lieber daheim zu bleiben, sollte sich für das Daheimbleiben entscheiden – nichts ist sicherer.
Vor allem gefährdete Personengruppe wie ältere Menschen oder jene mit einer Vorerkrankung könnten Masken als zusätzliche Maßnahme (nicht aber als Ersatz anderer) verwenden.
Schutzmasken: Umstritten aber nicht wirkungslos
Wissenschaftlich bleiben Atemschutzmasken als breite Maßnahme gegen den Virus zumindest umstritten. Doch angesichts der fehlenden Erkenntnisse über Übertragungswege und Ansteckungsgefahren ist es erstaunlich, dass Masken nicht zumindest als zusätzliches Element stärker in Betracht gezogen werden. Wenn es nichts hilft, dann kann es zumindest nicht schaden, wenn mehr Menschen solche Masken verwenden – natürlich vorausgesetzt, dass sie andere (wichtiger) Hinweise wie Social Distancing befolgen und sich nicht einfach auf die Maske verlassen.
FFP1-Masken (siehe oben) können laut österreichischer Gesundheitsagentur Ages zumindest einen Schutz anderer Personen bieten. Da es derzeit wohl eine hohe Dunkelziffer von Infizierten gibt (die noch nicht getestet wurden), kann zumindest die Gefahr einer Ansteckung anderer durch das Tragen einer eigenen Maske in einem gewissen Ausmaß verringert werden.
Fehlende Akzeptanz
Ein Faktor in Europa und Nordamerika ist die mangelnde Akzeptanz von Masken im öffentlichen Raum. Wer heute im Supermarkt eine Maske trägt, wird noch immer schief angesehen. In Asien sind Masken akzeptiert und daher weit verbreitet. Es könnte sinnvoll sein, auch in Europa eine Kehrtwende einzuleiten.
Während für neue Medikamente oder Impfungen viele Millionen an Forschungsgeldern (zu Recht) aufgewendet werden, werden die nicht-pharmakologischen Interventionen wie eben Mundmasken weniger genau untersucht. Das könnte sich ändern, denn genau diese Maßnahmen, die jeder Einzelne anwenden kann, werden in Zukunft noch wichtiger.
Übrigens: Was ist mit den Vogelgrippe-Schutzmasken?
In Österreich war die Panik wegen der Vogelgrippe im Jahr 2005 groß – tatsächlich waren die Folgen des mutierten H5N1-Virus aber in Europa gering. Doch ein politischer Skandal wurde daraus, als die damalige Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat 2006 Schutzmasken gegen die Vogelgrippe in großen Stückmengen kaufte – und zwar unter anderem ausgerechnet von einem deutschen Unternehmen, das von ihrem Ehemann Alfons Mensdorff-Pouilly beraten wurde.
Wie Recherchen österreichischer Medien ergaben, bezahlte jenes Unternehmen an den umtriebigen Ehemann 2006 einen sechsstelligen Euro-Betrag. Dabei war es bei der offiziellen Auftragsvergabe leer ausgegangen. Die Ermittlungen wurden später eingestellt. Wie auch immer: Wo sind Rauch-Kallats Masken heute, die insgesamt mehr als 4 Millionen Euro gekostet hatten, aber kaum verwendet wurden? Ein Teil der Masken wurde aus dem Lager geholt, obwohl sie eigentlich schon 2016 abgelaufen waren: 1,6 Millionen Stück wurden vom Bundesheer getestet und als „tauglich“ eingestuft. Es handelt sich um FFP1-Masken.