
Die ersten Wochen unserer Reise führten uns von Metropolen zu thailändischen Trauminseln weiter durch die Reisfelder in Vietnam und dessen Mekong-Delta schließlich gemeinsam mit G Adventures nach Kambodscha. Ein Land, das von Asien-Touristen vor allem aufgrund seiner beeindruckenden Tempel, eingebettet in wunderschönen Landschaften und der traumhaften Lage am thailändischen Golf geliebt, geschätzt und bereist wird. Die Schönheit Kambodschas ist von tiefen Narben durchzogen, die noch so frisch sind, dass es einem schwer fällt, die jüngste Geschichte des Landes überhaupt in Worte zu fassen. Dieses Land ist gerade erst dabei, die jüngste Geschichte zu verarbeiten, die Schatten und Gespenster der Vergangenheit zu verjagen und gegen die Unterentwicklung und Armut anzukämpfen.
Vor 42 Jahren kam Pol Pot mit seiner Armee – den sogenannten Roten Khmer – an die Macht, die für ihre Ideale vor nichts zurück schreckten. Ein Großteil der Armee bestand aus Kindersoldaten, die so gedrillt, manipuliert und erpresst wurden, dass sie sogar ihre eigenen Eltern umbrachten. Pol Pot und seine Kämpfer übernahmen die Macht des Landes durch eine gewaltsame Eroberung der Hauptstadt Phnom Penh und zwangen Kambodscha mit Gewalt in den Agrarkommunismus. Das Land war dem Regime und dessen brutaler Macht und Vorstellungen ausgeliefert. Die Menschen lebten in Angst, Schrecken, zwischen Bürgerkrieg und Hungersnot. Das Regime löschte nahezu die gesamte gebildete Bevölkerungsschicht aus. Das waren Menschen mit Schulabschluss und deren gesamte Familie. Menschen mit Sehbehinderung wurden ebenfalls gefangen, gefoltert und getötet, da eine Brille ein Zeichen von Bildung war. Man entriss Menschen aus ihrem Alltag und ihrer Familie, brachte die Gefangenen in das berüchtigte Sicherheitsgefängnis 21, wo der Fantasie und Brutalität der Foltermethoden keine Grenzen gesetzt waren.
Die ehemalige Schule steht heute wie ein Mahnmal in der Stadt Phnom Penh. Von den knapp 17.000 Häftlingen im „S21“, die hier monatelang gefoltert und verhört wurden, überlebten sieben. Drei von ihnen lernten wir dort kennen, sie verkaufen dort heute noch ihre Bücher und erzählen von der schrecklichen Zeit und den Ereignissen, die sich dort zugetragen haben. Die Kraft und Stärke, die diese Menschen aufbringen, um die Geschichte weiter zu erzählen ist beeindruckend. Sie haben Familie und Freunde verloren und leben heute mit den Mördern Tür an Tür, da viele nach der Schreckensherrschaft nicht verurteilt wurden.
Wir können uns den Schmerz, den diese Männer ertragen mussten, nicht vorstellen – Tag für Tag die Menschen zu sehen, die ihre Frauen und Kinder umgebracht haben. Um den Frieden zu wahren und nicht weitere Kriege und Morde auszulösen, entschied sich eine ganze Generation gegen die blutige Rache an den roten Khmer, die nicht verurteilt wurden. Sie versuchen zu leben, glücklich zu sein, für ihr Land zu hoffen. Es hätte damals jeden treffen können. Gefangene des Gefängnisses wurden zu absurden Geständnissen gezwungen.
Kinder, Frauen, Männer, die am Tag davor noch freie Bürger waren, wurden zu den sogenannten „New Houses“ gebracht – den Killing Fields. Das Regime witterte überall Spione und Verräter und brachte Menschenmassen unter dem Vorwand, ihnen neue Arbeit und ein neues Heim zu geben, zu den Feldern.
In Kambodscha gibt es rund 300 der sogenannten Killing Fields, auf denen auf Menschen mit Baseballschlägern erschlagen, aufs Brutalste gefoltert und lebendig verbrannt wurden – oder Babys, die vor den Augen ihrer Mütter an einem Baumstamm zerschmettert wurden. Heute sind die Killing Fields eine Gedenkstätte. Eines der größten liegt vor den Toren Phnom Penhs im Grünen außerhalb der hektischen Stadt und wirkt sehr friedlich und ruhig. Man hört die Vögel zwitschern, der Duft von Räucherstäbchen liegt in der Luft. Es wirkt fast so, als wäre man in einer Parkanlage, wenn man auf den schmalen Pfaden nicht an den Knochen und Kleidungsfetzen der tausenden Opfer vorbei gehen würde.
Ein großer Baum sticht uns sofort ins Auge, mit unzähligen Freundschaftsbändern und bunten Bändchen behangen, umkreist von weinenden Menschen. Hier wurden nachweislich die Babys der Gefangenen zerschlagen, während man die Mütter daneben fesselte und zum Zusehen zwang. Man kann die Stimmung nicht in Worte fassen, soviel Schmerz und Trauer hängen hier spürbar in der Luft – und dennoch ist es ein friedlicher Eindruck, mit dem wir diesen Ort verlassen. Weil dort Blumen blühen, Menschen gedenken, die Natur weiter wächst und man sich dort erinnert – für die Opfer, aber auch für die Zukunft.
Vor allem ist es aber die Art der Einheimischen, die einem so unendlich viel Hoffnung schenkt. Man schaut hier in freundliche Gesichter, sie lächeln und freuen sich über den Besuch von Touristen, die sich nicht nur für die Geschichte der Tempel, sondern vielmehr für die Geschichte des Landes interessieren, auch wenn diese so düster erscheint. Genau an diesen grausamen Orten erfährt der Besucher vielleicht mehr über das Land und die Leute als sonst wo.
Etwa zwei Millionen Menschen, ein Drittel der Bevölkerung Kambodschas, wurden innerhalb von vier Jahren abgeschlachtet – vor allem Lehrer, Ärzte, Mönche und Professoren. Der Völkermord prägt noch bis heute das Land und dessen Entwicklung. Eine Generation wurde ausgelöscht und der Verlust ist allgegenwärtig. 50% der Gesamtbevölkerung Kambodschas bestehen aus Menschen unter 18 Jahren. Das, was wir aus diesem Land mitnehmen dürfen, ist unglaublich viel Kraft. Man kann von den Menschen in Kambodscha sehr viel lernen: Die Stärke, der Wille nach Frieden und die Schönheit der kleinen Dinge hat uns geprägt und beeindruckt. Wir hoffen mit ihnen und glauben ganz fest daran, dass das Land sich wieder erholt.
Die vielen Förderprojekte des Landes machen nicht nur Mut, sondern werden weitgehend unterstützt – wie zum Beispiel die Cyclo Tour. G-Adventures ist eine der Organisationen, die diese Förderprojekte unterstützen. Hier durften wir mit der gesamten Gruppe wieder mal eine neue Art der Fortbewegung ausprobieren, bei der man quasi in einem Wagen vor dem Fahrrad herum kutschiert wird. Die Radler sind meist ältere Männer mit einem schwierigen Hintergrund, die so die Chance haben, Geld zu verdienen. Außerdem konnten wir während der Tour die Stadt Phnom Penh und ihre Bewohner noch ein bisschen besser kennenlernen, bevor wir weiter nach Siem Reap reisten.